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DIVERSE GERICHTSURTEILE
UND ENTSCHEIDUNGEN
24.10.2007 - Übernahme von Therapiekosten im Bereich Dyskalkulie und Legasthenie
nach § 35a SGB VIII
Unzureichende Begutachtung durch den Landkreis Nienburg/Weser
Gemäß § 35a SGB VIII haben Kinder und Jugendliche bei Vorliegen einer seelischen
Behinderung Anspruch auf Gewährung von staatlicher Eingliederungshilfe. Ziel der
Eingliederungshilfe ist die Beseitigung oder Milderung der vorhandenen Beeinträchtigungen
durch therapeutische oder ähnliche Maßnahmen.
Typische Anwendungsbereiche des § 35a SGB VIII sind Fälle einer bestehenden Dyskalkulie
oder Legasthenie, wobei allerdings das Vorliegen einer derartigen Teilleistungsstörung für sich
noch nicht ausreicht, um einen Anspruch nach § 35a SGB VIII zu begründen. Vielmehr muss in
Folge der Dyskalkulie/Legasthenie die seelische Gesundheit des Betroffenen vom typischen
Zustand für das jeweilige Lebensalter mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate
abweichen (§ 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII). Man spricht insoweit auch vom Vorliegen einer
seelischen Störung.
Diese muss gemäß § 35a Abs. 1a SGB VIII durch einen in besonderer Weise qualifizierten Arzt
oder Psychotherapeuten festgestellt werden.
Das Verwaltungsgericht Hannover hat nunmehr in einem Verfahren, mit welchem die Bewilligung
von Eingliederungshilfe im Sinne des § 35a SGB VIII eingeklagt werden sollte, Zweifel an der
hinreichen Qualifikation der in diesem Zusammenhang für den Landkreis Nienburg/Weser tätigen
Dipl. Psychologin geäußert.
Im vorliegenden Verfahren sah sich der Landkreis Nienburg/Weser nach dem entsprechenden
Hinweis durch das Verwaltungsgericht Hannover veranlasst, freiwillig den beantragten
Bewilligungsbescheid rückwirkend zu erlassen. Das Verfahren endete daher ohne den Erlass
eines Urteils durch Einstellung wegen Erledigung.
Vor diesem Hintergrund scheint es angeraten, Bescheide, mit denen die Gewährung von
Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII abgelehnt wird, einer kritischen Begutachtung
hinsichtlich der hinreichenden Qualifikation des die Stellungnahme zur seelischen Störung
abgebenden Arztes oder Psychotherapeuten zu unterziehen. Dies dürfte nicht nur für Bescheide
des Landkreises Nienburg/Weser gelten, sondern ebenso für solche anderer Landkreise. Nicht
ausgeschlossen werden kann nämlich, dass auch in anderen Landkreisen die begutachtenden
Ärzte/Psychotherapeuten ebenfalls nicht über die hinreichende Qualifikation verfügen. Auch hier
sollte daher stets kritisch hinterfragt werden, wer die Stellungnahme zur seelischen Störung gem.
§ 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII abgegeben hat.
Neben der seelischen Störung bedarf es für einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a
SGB VIII schließlich noch einer Teilhabebeeinträchtigung. Auf Grund der seelischen Störung
muss die Teilhabe des betroffenen Kindes/Jugendlichen am Leben in der Gesellschaft
beeinträchtigt sein oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten sein (§ 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
SGB VIII).
Die Teilhabebeeinträchtigung kann dabei von einer sozialpädagogischen Fachkraft festgestellt
werden. Hierbei geht es um die Alltagsbewältigung im häuslichen Bereich und der Teilhabe an
Bildung, Arbeit, Beschäftigung und sozialen Beziehungen. Eine geringfügige Beeinträchtigung
reicht hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr ein Rückzug aus jedem sozialen Kontakt wie z.B.
bei der Vereinzelung aufgrund einer auf Versagensängsten beruhenden Schulangst. Bloße
Schulproblemen und Schulängsten, die auch andere Kinder oder Jugendliche haben, reichen
nicht aus.
Vgl. auch: OVG Koblenz, 26.03.2007 - 7 E 10212/07
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